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Christiane Bassyouni Mai 2005                                                                                                                       [Zurück zu Weitere Texte]


Wie konnte es zum Faschismus kommen? Wie entsteht „Rechtsradikalismus“?

Und was hat beides mit „Machtmissbrauch und Gehorsamszwang“ zu tun?


Als Vorlage zu diesem Text dient der Aufsatz vom Februar 2005 zur "Geschichte einer Psychoanalyse-Ausbildung in den
70er Jahren, Fakten und Folgerungen."


Im Rahmen dieser aktuellen Fragestellung habe ich mir gedacht, dass es wichtig ist, mein Wissen aus meiner langjährigen Praxiserfahrung (seit 1969) zu diesem Thema wieder anzubieten. Und dazu erscheinen mir die Ereignisse in meiner eigenen psychoanalytischen Ausbildung recht illustrativ.

Sie sind mir erst in letzter Zeit wieder zum Bewusstsein gekommen. Mehr als 30 Jahre ist das nun her. Eindrücke und Erfahrungen von damals aber sind mir als Fakten erinnerlich geworden, relevant geblieben für die noch heute hochaktuelle und hochbrisante Thematik des „Machtmissbrauchs als unbewusstes Phänomen“ - den der "Untertanengeist" in der Abhängigkeitsposition überhaupt erst möglich werden lässt.
Es scheint mir dringend an der Zeit, und zwar in unser aller Interesse, dass wir unseren Erkenntnisprozess vertiefen und ausbauen, wenn es um dieses uns alle betreffende Thema geht: „Machtmissbrauch und Hörigkeit als unbewusste Phänomene“.
( Wir müssen einfach hingucken lernen.)
Es geht um die Frage, inwieweit sind wir noch immer „Kindrollenspieler“ in der Beziehung zu autoritären „Eltern-Instanzen“ , wo immer diese auch auftreten mögen.
In der Gegenwart tritt der „autoritäre Elternteil“ spektakulär und demonstrativ auf in der Politik;
ob jetzt in der SPD gegenüber den GRÜNEN und anderen „Minderheiten“, über den inhumanen Sozialabbau z.B. oder über die mit dem Tod drohende Machtdemonstration eines Bush! Dem sich Frau Merkel, unterwerfungsbereit erzogen im Militärstaat der DDR, in nahtloser Anpassung - ohne die geringsten Bedenken durch Einfühlung in die Opfer eines Krieges subordiniert - und auch noch behauptet, „sie verträte damit ein Drittel der deutschen Bevölkerung“.
Also, „Anschauungsmaterial“ zum Thema haben wir gegenwärtig genug. Bleibt uns die Frage, auf welcher Seite stehen wir selbst, und zwar heute !
Und im Sinne dieser Fragestellung habe ich auch meinen Bericht geschrieben. Auch um mir selber klarer zu werden, es überhaupt erstmals richtig zu erfassen, wie es möglich ist, sich so viele Jahre lang an Destruktives anzupassen, sich anzupassen an Lebensentfaltung Behinderndes - es hinzunehmen als sei es zur Beziehung Analytiker/Analysand als selbstverständlich dazugehörig.
Alles spricht dafür, dass hier ein bereits vorgebahntes Beziehungsmuster seine Auswirkung hatte: zwischen dem zu Verbot und Verurteilung Berechtigten, ganz einfach weil er sich in der Machtposition befindet und dem Abhängigen in Ohnmachtposition, der nur hinnehmen, schweigen und schlucken kann - wie wir es als Kind ganz offenbar bereits gekannt und mitgemacht haben - im ehemals selbstverständlich autoritären Umfeld „zur Anpassung“ erzogen.

Wem ist das unvertraut, der als Kind im letzten Weltkrieg den deutschen Faschismus erlebt hat, vorgelebt erfahren hat? Ich denke inzwischen - dazu musste ich 70 Jahre alt werden - dass dies eine Frage ist, inwieweit Anpassung an Härte und Unerbittlichkeit lebenserhaltend notwendig war !? Wenn eine schützende, wiedergutmachende Vertrauen erhaltende Erfahrung gefehlt hat !
Aber die Identifikation mit der Macht erschwert die Einfühlung in das Los der Opfer. Sie schließt sie eigentlich aus, wegen ihrer Psychodynamik des archaischen Entweder-Oder erzwungener Kongruenz. (Ein illustres Beispiel hier Frau Merkel und andere Befürworter des Irakkriegs. Da gibt es kein Bedauern ! Keine Reue ! Denn „Machtanpassung macht unfehlbar“ ! Und unfähig zur Empathie.)

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1969 begann ich meine Ausbildung in Psychoanalyse, 1975 beendete ich sie unter bemerkenswerten Umständen, die zum Verständnis des Themas „Machtmissbrauch als unbewusstes Geschehen“ einen denkwürdigen Beitrag leisten können.
Mein Analytiker war erst seit kurzem als Lehranalytiker tätig. Völlig unvorbereitet traf mich seine mir unverständliche Äußerung, nach einem halben Jahr Lehranalyse, für ihn sei die Analyse mit mir „unbefriedigend“. Er habe den Eindruck, ich sei „ungeeignet“ für die Ausbildung und er überlege sich, „die Analyse abzubrechen“ .
Für mich war immer das Schlimmste gewesen , so kann ich das heute sehen, die Beweggründe für ablehnendes Verhalten nicht erkennen zu können, sie nicht zu verstehen. Ich bekam auch keine Erklärung von ihm, was ihn zu dieser vernichtenden Beurteilung veranlasst hätte. Ich konnte nur weinen und er entschied „gütig“, es mit mir noch bis zur 200. Stunde „weiter versuchen zu wollen“. (Dazu fällt mir ein, er sagte von sich "ich bin ein gütiger Analytiker“).
Unter dem Druck dieser Auflage setzte ich meine Lehranalyse fort, unfähig, an „ein Recht auf Klärung oder eine eigene angemessene Reaktion“ überhaupt zu denken.
Dann kam es zur Reinszenierung von Unbewältigtem an ganz unerwarteter Stelle:
In meinem 2. Lehranalysejahr überwarf sich mein Lehranalytiker mit seinem ehemaligen Lehranalytiker. Es war eine hasserfüllte beängstigende Atmosphäre - und er trennte sich von ihm.
Aber keiner von uns, wir waren inzwischen vier bei ihm in Lehranalyse, wäre damals fähig gewesen, aus diesem malignen Geschehen unbewältigter Destruktivität vernünftige, ich-gerechte Schlüsse zu ziehen. Im Gegenteil, wir folgten unserem Analytiker geschlossen in eine andere Stadt.
Dort erfuhr ich weiterhin eine „streng-orthodoxe“ Lehranalyse. Es ging unserem Analytiker um das Deuten der „angeborenen Destruktivität“, was ich aber erst sehr viel später realisierte.
Meine Ausbildungsanalyse hatte überwiegend den Lerneffekt, dass ich meine Klientel niemals so behandeln wollte wie mein Analytiker mich. Das ist ja schon bedenklich. Aber so war es !
Wenn ich mir heute bewusst mache, was ich damals danach alles noch mitgemacht und ausgehalten habe und dass ich in den ersten Analysejahren überhaupt nicht auf die Idee gekommen war zu protestieren - mir entwürdigende und entmutigenden Äußerungen gar zu verbitten, mit dem Recht eines „mündigen Erwachsenen“ sozusagen, dann kann ich meine damalige Haltung eines „mundtoten rechtlosen Kindes“ inzwischen zwar herleiten und verstehen, aber die Tatsache des Machtmissbrauchs und des ihn ermöglichenden Untertanengeistes durch mich selbst macht mich unendlich traurig.
Da tröstet mich gar nicht, dass es meinen Mitanalysanden ähnlich ergangen ist. Sogar noch mit weit schlimmeren Auswirkungen, als ich meine Analyse beendet hatte. Dabei ist es mir vergleichsweise noch gut ergangen, weil ich bereits in meiner eigenen Praxis gearbeitet habe und dort gute Erfahrungen machen konnte.

Erst als ich viel später erfuhr, dass mein Analytiker ein auf dem Dachboden verstecktes Judenkind im Krieg gewesen war, wurde mir klar, warum er kein Interesse an der „Selbstentfaltung“, am Gedeihen dieses Nazikinds haben konnte, das ich war. Mein Vater war Hitleranhänger seit 1927 gewesen.
Das hatte ich meinem Analytiker gleich gesagt, in der Hoffnung auf Solidarität mit mir, dem dreijährigen Kind, das mit gewaltigen Ohrfeigen bei Tisch geschockt wurde, sobald dieser Nazivater das Kind sah, mit bleichem Gesicht und starrem Blick - eigenes verdrängtes Gewalterleben reinszenierend - nun in der Machtposition, aber offensichtlich im subjektiven Erleben in das kleine Mädchen „das Urböse dieser Welt“ projizierend!

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Mein Vater hatte im 1. Weltkrieg als Jugendlicher viel hungern müssen. Dass er Gewalt bei Tisch erlebt und verdrängt hatte - er war Adoptivkind gewesen in einer strengen Großfamilie - das deckten diese Gewaltausbrüche auf, psychotische Übertragungsepisoden, ausagiert an seinem eigenen kleinen Kind.
Das wurde leider nie in der Analyse thematisiert. Im Gegenteil, heute kann ich mir das so erklären, bei der Auffassung unseres Analytikers von genuiner Destruktivität - er muss bei mir von einer ausgeprägten „ererbten, im-Gen-verankerten“ Aggressivität ausgegangen sein. Deshalb seine
alle Bearbeitungsversuche im Keim abblockenden Erwiderungen wie „Kinder sind von Natur aus
aggressiv“ und „Aggression ist Aggression“.
In meinem Idealisierungsbedürfnis wäre ich nie auf die Idee gekommen, ein fühlender und selbstreflektierter Mensch - und als solchen habe ich ihn noch lange auch nach Analyse-Ende wider alle Vorkommnisse einschätzen wollen - könne allen Ernstes von „der Erbmasse des Bösen“ ausgehen ! Und deshalb kein Interesse haben an den Auswirkungen realer Gewalt !
Aber wohl, weil er sie selber erlebt hat, die tödliche Bedrohung durch reale Gewalt.
Und weggedrängt aus dem Bewusstsein, wodurch sie „uninteressant“ wurde, weil „nicht existent“ ! Dazu kann ich nur sagen: Wir können uns gar nicht aufmerksam genug mit dem Phänomen der Verdrängung befassen ! Besonders in Verbindung mit dem Haupt-Abwehrmechanismus der Identifikation mit dem Aggressor.

Wenn ich nun aber bedenke, wie viel schlimmer es meinen vier Mitanalysanden ergangen ist, erscheint es mir dringend, die Fakten darüber mitzuteilen: Zweien wurde untersagt, überhaupt ins Kolloquium einzutreten, um selbst Analytiker zu werden. Sie mussten nach sieben Jahren Lehranalyse die Ausbildung aufgeben. Weil unser Lehranalytiker seine Funktion „als Träger der Macht“ missbrauchte und über Verbote agierend in das Leben seiner Ausbildungskandidaten eingriff. Ohne den geringsten Selbstzweifel dabei, in seiner „Machtvollkommenheit als Elternrollenspieler“.
Damals gab es keine Instanz, die ihm das verwehrt hätte. Es gab keine Ethik-Kommission, die sich um die Rechte der Auszubildenden gekümmert hätte. Die Kandidaten hatten keine Lobby. Einem dritten Kollegen wurde die Beendigung der Ausbildung nur unter der Bedingung „erlaubt“, dass er das Versprechen gab, „nie selbst Lehranalytiker zu werden“ !
Der Kollege war Oberarzt gewesen, bevor er mit Frau und Kindern dem Analytiker in die andere Stadt gefolgt war. Was für eine ungeheuerliche Anmaßung des Analytikers, dem Analysanden im 8. Lehranalysejahr die Fähigkeit zum Ausbilder abzusprechen ! Ihn dermaßen entmündigend zu degradieren !
Ein anderer Kollege, der nach unserem Umzug zu unserem Lehranalytiker in Ausbildung kam, erkrankte im 4. Analysejahr an Krebs. Nach gelungener Operation erhielt er die Erlaubnis, die Ausbildung zu beenden und ins Kolloquium einzutreten. Er konnte Analytiker werden, hat aber nach diesem Erleben nie mehr den Wunsch gehabt, selbst Lehranalytiker zu werden. Nach dem heutigen Stand unseres Wissens um psychosomatische Zusammenhänge entwickelt sich ein somatisches Symptom als "Körpersprache mit Appellcharakter" nicht unabhängig von dem, wie mit einem traumatischen Konflikt innerhalb der analytischen Situation umgegangen wird.

Es gab weitere Hiobsbescheide, die damals erschüttert haben, von denen ich nicht berichten will.
Es hat zuviel Tragisches. Wichtig erscheinen mir die Folgerungen zu den Fakten.

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Was war das für eine Beziehung, die unser Analytiker zu seinen Lehranalysanden hatte? Jedenfalls keine eines um Verstehen bemühten Ausbilders, dem Wissensvermittlung am Herzen lag. Schon gar keine Beziehung zwischen zwei Menschen in einem gemeinsamen analytischen Erkenntnisprozess. Wollte er überhaupt glaubwürdig sein als Vorbild für den Beruf des Analytikers, den wir ja erlernen wollten ? - Ein glaubwürdiges Vorbild ?
Erst am Ende meiner Analyse hatte ich die Kraft, seine abfälligen Äußerungen dazu in Frage zu stellen - aber erst nachdem ich mich entschieden hatte aufzuhören - das üble Spiel nicht mehr weiter mitzumachen.
Beim Erinnern und Niederschreiben muss ich immer wieder gegen meine Beschämung ankämpfen, dass ich mir als erwachsene Frau, selber in der Mutterrolle, Fachärztin, selbstständig in eigener Praxis, diese anmaßende Verachtung gefallen lassen habe. Dass ich so wenig ein Recht auf eine eigene Meinung in meiner Lehranalyse hatte ! Mich verhalten habe wie ein „Untertan“, wie das „brave Kind“ gegenüber seinen „geliebten Eltern“ mit ihren unguten Projektionen. Die es hinnehmen musste, „mundtot“ geworden - und in unbearbeiteter Übertragung auch mundtot geblieben : weil sie ja das Leben gegeben haben ! Unsere Eltern ! Das Leben, das sie - trotz des Unrechts gegen ihr Kind - immer wieder bemüht und fürsorglich erhalten haben : Eine solche Übertragung fördert selbstverständlich das "Selbstwertgefühl" eines qua Amt Mächtigen. Dessen erworbene unaufgearbeitete Destruktivität aber notgedrungen ihre Auswirkungen auf seine Umwelt haben musste.

Heute denke ich, unser Analytiker wusste besonders wenig von „den elementaren Bedürfnissen
der Seele“, von ihrer Sehnsucht nach Gemeinschaft, Verständnis und Versöhnung.

Die Ereignisse bei Beendigung meiner Ausbildung 1975 erscheinen mir noch immer hochaktuell in ihrem Aussagewert. Dem ging eine schwerwiegende Auseinandersetzung voraus, eben um die eigene Meinungsbildung als „ein menschliches Ur-Bedürfnis und Ur-Recht“ ! Diese Erkenntnis ist hart erkämpft. Und obwohl sie auf mich elementar befreiend wirkte, war sie nicht im Konsens abzusegnen und damit als der Weg zur Versöhnung zu nutzen. Und darum ging es.

Es war 1973, im 5. Jahr meiner Lehranalyse. Ich brachte damals eine spezifische Übertragungssituation in der Beziehung zu meinem Analytiker zur Sprache, was mir heute geradezu verwegen vorkommt. Ich habe mich nicht davon abbringen lassen - eine Thematik, die mir offenbar ganz besonders wichtig war. Und weil ich hart darum ringen musste, und lange (so kam es mir vor), um in der Bedeutung des Konflikts für mich von ihm verstanden zu werden - es ging um das Äußern einer anderen Meinung als er sie vertrat - also um mein Ringen um die „Erlaubnis zur Mündigkeit“ : zur eigenständigen Meinung - begriff ich immer mehr, was ich eigentlich damit wollte. Dass es das NEIN - Sagen war des kleinen Kindes, das anfängt auf die eigenen Füße zu kommen, „selbständig“ werden will - das NEIN sagt, in der gesunden nachfühlbaren Absicht, mit dem Anderswollen nicht mehr „symbiotisch inkongruent“ zu bleiben ! Es sagt NEIN, um nicht so klein und abhängig in seinem Selbstgefühl zu bleiben, wie es das in der symbiotischen Phase ja noch ist, als ein sehr Kleines gegenüber einem sehr Großen ! Keine Aggression war gemeint ! Kein Entmachten des Mächtigen ! Keine Missachtung der Kompetenz des Großen ! Und überhaupt schon gar keine Absicht ihn zu kastrieren, „indem eine andere Meinung beibehalten wird“ !

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Als mein Analytiker nach dreimonatiger schwerer Krankheit wieder zurückkam, habe ich bewusst vermieden, nochmals von meinem Autonomiethema zu reden. Ich stand, völlig verunsichert, unter dem Eindruck, ich dürfe dieses Thema gar nicht ansprechen, „ohne jemandem damit zu schaden“ !Als er wieder Sitzungen halten konnte, er war stark abgemagert, war ich sehr entlastet.
Mein Analytiker gesundete, nahm seine alte abwertende und unduldsame Haltung wieder ein und ich entschloss mich, so bald wie möglich meine Analyse zu beenden. Was ich dann in der Schlussphase meiner Ausbildung erlebt habe, das kann ich zwar heute herleiten und verstehen, damals aber - in dieser Abhängigkeitssituation - war es für mich retraumatisierend. In einem Maße, dass mir nichts Anderes übrig blieb, als eine therapeutische Analyse anzuschließen, ein Jahr später. Dafür verlegte ich meine Praxis in eine andere Stadt.
Was mir aber jetzt unter dem Schreiben erst bewusst wird, ist, dass unser Analytiker überhaupt kein Wissen davon gehabt haben muss - dass ein Analysand, sei er nun Patient oder Ausbildungskandidat, das Verständnis des Analytikers braucht! ; jedenfalls sein Bemühen um Verstehenwollen braucht ! War das jetzt ein Defizit in der Ausbildung? oder war es durch unbearbeitet gebliebene Folgen destruktiven Erlebens in einer durch Lebensbedrohung traumatisierten Kindheit bedingt?
Der Analysand ist dringend darauf angewiesen, verstanden zu werden ! Denn weil seine Not ehemals nicht verstanden, nicht mitgefühlt wurde, hat sie verdrängt werden müssen ! Und in der Verdrängung geblieben, bestimmt sie seine gegenwärtigen Konflikte. Der Analysand ist darauf angewiesen, dass der Analytiker seine Äußerungen, Ideen, Konflikte und „Aberrationen“ verstehen will.

Wie anders sonst kann der Analysand seine unbewusst determinierten Symptome, partnerschaftlichen und sozialen Konflikte usw. überwinden? Ich glaube, wir knüpfen hier an die durch den 2. Weltkrieg unterbrochene Frage an, was wir eigentlich „an angeborener Destruktivität des Menschen“ im bewusstseinsfördernden Prozess der Psychoanalyse aufarbeiten wollen ?
Ich glaube die Kontroverse Freud-Ferenczi ist bezeichnend für diese Thematik geblieben.

Ist das so?
Kein Verständnis, kein Bedürfnis zu verstehen ohne Sympathie ?
Ferenczis Ansicht „Ohne Sympathie keine Heilung“ hat ihn ja vor 70 Jahren das Leben gekostet, ausgeschlossen aus der Psychoanalytischen Vereinigung. Weil er in diesem Sinne (er ahnte sicher nicht was er da auslöste) psychische Symptome als Folge verdrängter familiärer Konflikte an seinen Fällen beschrieb und damit einem Sturm der Entrüstung begegnete. Die Verstoßung durch Freud, seine geliebte Vaterfigur, hat er nicht verwinden können und erkrankte an Leukämie. Sehr bewusst äußerte er sich in den letzten Lebensmonaten über seinen Zustand und er erkannte ihn als Folge seiner „ungelösten Elternbindung“. Und das bereits 1932 ! (In seinem Tagebuch festgehalten, bis kurz vor seinem Ende.)

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Was ich aber bei meinem Vortrag 1980 erlebte, den ich zum Erwerb meiner Lehranalytikerzulassung gehalten habe (vor 3 Lehranalytikern), das ist gar nicht zu fassen. Ein Witz? Eine Farce?
Jedenfalls eindeutig im Sinne des „Machtmissbrauchs“ - „passiert“ ! Und von mir hingenommen ! In Resignation und Gefügigkeit.

Gewundert habe ich mich nur über die undifferenzierte Diskussion bei meinem Vortrag. Da bekam ich den Eindruck, rundherum angezweifelt zu werden, was immer ich auch erwiderte. Ich war aber meiner Sache so sicher, dass mir trotzdem gar keine Zweifel kamen. Worum es mir bei meinem Text gegangen ist, das sollte ich hier versuchen kurz wiederzugeben. Ich denke das ist nötig, um die Absurdität der Szene überhaupt zu erfassen. Die mir selbst ja erst in letzter Zeit zum Bewusstsein kommen will.

Die Depressivität bei der Bindungsangst als Nachkriegssymptom des Mannes, mit der Tendenz zur Solidarisierung mit dem „ausgeschlossenen Dritten“ - dem Rivalen, „Vater“ - und dem fatalen impliziten Trennungsphänomen in den Partnerbeziehungen, wirft die Frage auf - und das war mir in meinem Vortrag das Wichtige was ich hier kurz umreißen will - wie es denn zu einer geradezu konträren Entwicklung nach dem 1. Weltkrieg hatte kommen können - zu Menschenverachtung und monströsem Tötungswahn - im Faschismus ?

Es ging mir um die Herleitung des faschistischen Totalitarismus als Regressionsphänomen auf den internalisierten verlorenen Kampf eines Ohnmächtigen gegen das unerbittlich Entmachtende - im frühkonditionierenden Erziehungsprozess, den die „Schwarze Pädagogik“ vorschrieb.
Dass dabei im Blinden Gehorsam "nahtlos angepasst" nur die volle Identifikation das Überleben garantiert hat, hat zur Folge, dass auf das "Leben erhaltende und zugleich totale Kongruenz erzwingende Übermächtige" regrediert wird, in der "Symbiose mit der Macht". Eine geistige Verirrung der Massen" nannte Einstein 1934 den Faschismus. Wie richtig sein Gespür war! Langsam fangen wir heute auch an zu begreifen. Das "geistig Verirrte" daran ist: "Symbiotische Kongruenz mit der Macht" verbietet geradezu die „Solidarität mit den Schwachen“ (den Opfern, den Kindern) - als einen "Verrat an der Sache der Macht" - der "Todesstrafe riskieren würde!" Das erklärt den "braven Tötungswillen" gegen jeden Fremden, Andersartigen "der nicht so ist wie wir" (es werden mussten) - im heutigen Rechtsradikalismus genauso wie im Faschismus Hitlers.

Dieser Entwicklungsgang ist im Vergleich zum traditionsgemäßen autoritären Charakter abgewandelt durch das Erleben des "schwachen" besiegten Vaters nach dem verlorenen 1.Weltkrieg - abgelehnt von den Söhnen als Identifikationsvorbild in der Pubertät.
Und hier gilt (ich war so froh gewesen, das zu begreifen) die Erkenntnis Freuds von "der Regression im Dienste der Abwehr von Schuldgefühlen", die einsetzt im Pubertätskonflikt bei Ablehnung des besiegten, „machtlosen“ Vaters als Handlungswegweiser.
Ich denke, bei der 68-er Generation passen eher die Schuldgefühle! Da scheint der innere Feind bereits "milder", die depressive Position ist erreicht - deshalb gibt es Depressivität in der Regression. Ich bin aber überzeugt, bei den Faschisten ist es eher die Abwehr von Todesangst gewesen.
Wegen der "totalen Kongruenz mit der unerbittlichen (Gefühle abtötenden) Gewalt“ - im Töten aller, "die nicht-kongruent zu sein wagen" - "die Schwachen, die Minderheit" - alle, die anders sind als wir!

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Da das Thema "Macht und Ohnmacht" (zwar endlich Tagungsthema bei der DGPT November 2004 gewesen) noch immer 'das heiße Eisen' ist, das Experten der Tiefenpsychologie auch nicht gerne anfassen - und wen wundert das noch? - möchte ich es, weil es mein Thema war 1980, an dieser Stelle nochmal aufschlüsselnd darlegen:
Was das heißt "Symbiose mit der Macht"? Was das für schlimme Auswirkungen hat, das kann man sich gar nicht genug vor Augen halten: Nicht nur, dass die Gefühle des Kindes in der Not der unerbittlich erzwungenen Selbstaufgabe aus dem Bewusstsein verdrangt werden müssen - weil sie nicht länger zu verkraften sind - mit der schlimmen Folge des verbreiteten "Symptoms" der Gefühlskälte gegenüber der Not anderer! Anpassung an die grausame Macht bedeutet auch - und das ist das Furchtbarste daran : Solidarität mit dem Schwachen oder dem Opfer bedeute bereits "Verrat an der Symbiose gleich Kongruenz mit der Macht" die erschütternderweise "tötende Grausamkeit" als "braven Gehorsam" - zur "idealisierten Loyalität" pervertiert - ausagieren lässt! Dies erklärt das mangelnde Schuldbewusstsein der faschistischen Mörder, Ärzte, Soldaten, Aufseher. "Sie hatten nur ihre Pflicht getan", ihre anerzogene Pflicht zu parieren!

Bei dem Entwicklungsgang zur faschistischen Machtauffassung findet sich - durch Regression auf
ein "archaisches Feind-Introjekt" im Zwang zu symbiotischer Kongruenz und Identifikation
und hierin zeigt sich 'die geistige Verirrung der Massen' - tatsächlich so etwas wie "ein bravbefolgter Tötungsauftrag"! Dem sich viele 'willige Helfer' verpflichtet wussten.. die das Grauen verlernt hatten. Unter der Schwarzen Pädagogik gnadenlos zum Parieren 'abgerichtet'. Was sie verlernt hatten,
das haben sie zum Entsetzen der ganzen Welt in Szene gesetzt - das Grauen! Vor den gefühllosen Menschenschlächtern, "gefühlstot" geworden, die nur Befehlen gehorchten - und deshalb "sauber geblieben“ sind!
Zugrunde lag dem - heute können wir uns an die Thematik eher herantasten weil "das Willenbrechen" bei uns keine Erziehungsvorschrift mehr ist wie vor 60 Jahren - die generalisierte Grundstörung der verbotenen Individuation! Bestraft als "Trotz der gebrochen werden musste". Damit blieb der Mensch im Konflikt der ungelösten Symbiose! Mit archaischem Aggressionspotential in der Verdrängung.
Das heißt dann im Effekt, der Hass des Unterdrückten richtet sich nicht mehr gegen seinen Unterdrücker, sondern gegen den "nicht Angepassten" - der sich in der Gesellschaft "als Minderheit" offenbart, und damit auffällig als "nonkonform" mit der Macht und damit als "todeswürdig" gilt!
Der Hass des Rechtsradikalen richtet sich eigentlich gegen das Schwache, das Kind, als es noch aufbegehrte – und das er vor der Selbstaufgabe in Unterwerfung unter die unterdrückerische Macht - selbst einmal gewesen ist.

Diese furchtbare Thematik bedeutet einen schlimmen Druck auf die Seele. Aber wie wollen wir vorbeugen können wenn wir nicht zurückwollen an die Wurzeln des Übels? Und die liegen in der Abhängigkeit des kleinen Menschen als Kind, ausgeliefert dem "Machtmissbrauch" als
unbewusstem Phänomen. Da liegen die Wurzeln.
Es geht um die "internalisierte reaktive Destruktivität", die ihre Auswirkungen hat! Auf die Umwelt. Besonders auf alle in der abhängigen Position. (Wie die Kinder, die Frauen oder die Lehranalysanden.) Es geht um das destruktive Introjekt des fast zu Tode geschockten Kindes! Mit den danach unvermeidbaren Identifikationen! "Das" sich später seiner zerstörerischen Effektivität gar nicht bewusst ist! Im Gegenteil, sich "gütig" findet. Erkennbar aber wird verdrängte Destruktivität nur an den somatischen oder psychischen Reaktionen der jeweils Abhängigen.

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Die furchtbarste Auswirkung von etwas Destruktivem, das auf das Konto des Faschismus geht –
in seinem Verfolgungswahn gegen alles "Nicht-Kongruente" - das ist ja der Tod.
Es bleibt uns wohl nichts Anderes übrig als das zu erkennen: Das Erleben tödlicher Bedrohung durch Gewalt oder Verlust - ohne Trost ohne Wiedergutmachung - ist eben nur durch Verdrängung zu verkraften! Zu überleben!
Unser Analytiker hatte sich inzwischen auch mit dem neuen Ausbildungsinstitut überworfen. So setzte sich unaufgearbeitete Destruktivität in der Beziehung zu seinem eigenen Lehranalytiker auch da fort. Mit entsprechenden Auswirkungen auf die Umwelt, auch auf seine Lehranalysanden.
Es gibt evidente Beispiele. Aber wir scheuen uns hinzugucken und eine ursächliche Verbindung herzustellen. Weil es einem auch zu schrecklich vorkommt. Denn es vermittelt wieder ein altes unerträgliches Ohnmachtgefühl, auch weil man nicht hat helfen können.

Ein Faktum aber ist unbestritten: Die Unversöhnlichkeit ist auch hier fortgesetzt das unbearbeitete Thema.

Ich habe seit 1983 versucht, meinen Text von 1980 auszubauen und zu ergänzen. Ich habe ihn
12 Mal umgeschrieben. Erschienen ist der Text 1990 unter dem Titel "Macht oder Mündigkeit".
1999 ist das Buch in Russisch herausgekommen. Die Übersetzung hat 3 Jahre gedauert in
St. Petersburg, unter dem Titel "Erziehung zum Völkermord".

1985 hatte ich einen Aufsatz mit der Überschrift "Die neurotische Entwicklung in der Nachkriegszeit - ein chronifizierter Kampf um Autonomie - die Symptomatik des Konflikts zwischen Macht und Ohnmacht" allen DPV-Mitgliedern vor dem Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Hamburg geschickt, dem 1. IPA-Kongress nach dem 2. Weltkrieg wieder auf deutschem Boden. Ich dachte, das ist die Chance, dass begriffen wird, bei diesem denkwürdigen Anlass nach dem Krieg, was Blinder Gehorsam und Zwangserziehung und die ganze "Schwarze Pädagogik" für Folgen hatten (haben). Aber die Zeit war noch nicht reif.
Hierzu ist mir auch ein bezeichnendes Beispiel eingefallen, dessen Aussage ich erst in letzter Zeit besser verstanden habe. Ich bringe es nachfolgend.

Was mich während des ganzen Kongresses so betroffen gemacht hat, war die Beobachtung, dass die entscheidenden Themen zu Fragen der Psychodynamik des in Deutschland ausagierten Tötungswahnsinns total ausgeblendet wurden : „Wie konnte es zum Faschismus kommen? Wie entsteht "Rechtsradikalismus"? Und was hat beides mit "Machtmissbrauch und Gehorsamszwang" zu tun?“ Völlig ausgeklammert war das Thema "Erziehung zum Blinden Gehorsam" mit der grausamen "Konditionierung des sehr kleinen Kindes zum Parieren auf den Blick hin“, die bereits im Säuglingsalter als "Elternpflicht" ausgeübt und mit Strenge durchgesetzt werden musste. Entsprechend den Erziehungsbüchern der Schwarzen Pädagogik, die bis etwa 1960 obligat waren! Härte und Unnachgiebigkeit gegenüber dem winzigen Menschen galten als Erziehungsideal, das 'Vorschrift' war. Von der wir heute wissen, dass sie vom völlig.abhängigen, hilflos angewiesenen Kleinkind nur als FEINDLICHE BEDROHUNG erlebt werden kann und introjiziert wird (FEIND-INTROJEKT).

Früherlittener Gehorsamszwang erzeugt 'ein böses Weltbild' und kann nur über Identifikation verkraftet werden, um die Todesangst zu verlieren. Mit "Anpassung an Härte" kann der kleine Mensch überleben - aber unter Gefühlsverlust! Er verliert seine vertrauenden liebevollen Gefühle. Um in dieser unerbittlichen Welt zu überleben darf er auch kein ANGSTgefühl mehr zeigen, keine Trauer und kein Entsetzen.

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Vor allen Dingen "Angst" durfte ein Kind im Faschismus nicht zeigen. "Die feige Memme braucht Klassenkeile" hieß es über ein siebenjähriges Mädchen, es war 1940 in einer Schule im Osten Deutschlands gewesen, als dieses Kind während des Unterrichts anfing zu zittern und zu weinen, dadurch auffällig wurde und störte. Niemand konnte damals wissen, dass es im Zustand nach einem folterähnlichen Trauma war, bei dem es die Besinnung verloren hatte. Aber es bot seinen Mitschülern das Bild eines "Angsthasen". Und Angst zu zeigen war die schlimmste Unart! Dafür setzte es Prügel und andere harte Strafen. Heute würden wir sagen, das Kind litt unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS). Es stand noch unter dem Schock des Gewalterlebens. Dadurch erklärten sich seine Angstzustände mit Zittern und Weinen. Die meisten Kinder aus der Klasse rotteten sich zusammen und überfielen mit Geschrei das Mädchen auf seinem Heiniweg, um es zu verprügeln, "damit es keine feige Memme, die zittert und weint und damit Angst zeigt, mehr bleiben soll"!

Sie wollten die Mitschülerin mit Schlägen "nacherziehen". Denn sie waren die "braven Kinder ihrer prügelnden Erzieher" , die kein Weinen und Zittern vor Angst geduldet haben! Das klingt gar nicht sympathisch, erklärt aber die Härte gegenüber dem Schwachen! Das sie als kleines Kind selbst gewesen waren, bis ihr Wille entgültig gebrochen worden war - in Anpassung an erzieherische Härte gegenüber dem „Unangepassten“, das unerwünschte Gefühlsreaktionen zu äußern gewagt hatte. Das sind die Folgen der Schwarzen Pädagogik. Die als "Gegenstand der Ursachenforschung" in Bezug auf den Faschismus bei dem Kongress 1985 überhaupt nicht thematisiert wurde.

Aber die Frage nach der Ursache für die Gefühlskälte, die Mitleidslosigkeit und Grausamkeit im Faschismus erscheint nicht mehr unbeantwortbar. Es war nicht die "genetisch bedingte angeborene Destruktivität des Menschen"! Dieses Konzept hat den Faschismus bisher verhängnisvoll unerforscht bleiben lassen!
Wenn Generationen von Kleinkindern bereits im Säuglingsalter zum Parieren abgerichtet werden, geschockt, terrorisiert, durch Gehorsamszwang gequält, dann potenziert sich das verdrängte reaktive Destruktionspotential - und wird in zwei Kriegen gegen die ganze Welt grauenhaft ausagierte Reinszenierung. Das war 1914 und 1939.
Aber 40 Jahre nach Kriegsende? Woran war die Zeit da noch nicht reif? So dass diese schrecklichen aber realen Themen ausgeklammert wurden? Vor 20 Jahren, das können wir heute erkennen, waren die Schuldabwehrmechanismen noch zu verbreitet: Verleugnung, Totschweigen, Projektion des Feindes in denjenigen der Unrecht aufdecken will. Die Angst vor Entdeckung muss damals noch massiv gewesen sein.

Wie ist das zu verstehen?
Da doch die meisten Zeitgenossen damals in die Generation der Kinder der faschistischen Eltern gehörten? Die damit selbst kaum an den Grausamkeiten beteiligt gewesen sein können. Aber wer "schämt sich" der Unmenschlichkeit seiner Vorfahren? Wie ist das mit der "Solidarität" mit den "Tätern"? WIE mit der „Symbiose mit der Macht“?
Schäme ich mich der entsetzlichen Geschichte, die meine Eltern und Großeltern zu verantworten haben? - Oder ist mir erspart geblieben, mich mit einem unerbittlichen "Mächtigen" zu identifizieren, zu arrangieren? - Habe ich dann stellvertretend für meine Eltern, die Nazis waren, Schuldgefühle? Oder denke ich, dass ich mich sowieso immer auf der Seite der „Kleinen /Weniger-Mächtigen“ engagiert erlebe? Dass ich mehr Sympathie habe für die "Armen/Schwachen" und dass ich eher die „Mächtigen/Machtidentifizierten“ ablehnen würde? Die ja auch nichts dafür können, dass sie so wurden: Werden mussten! Aber ihre Destruktivität hat den gefährlicheren Wirkungsradius ! Mit dem sie heute die ganze Menschheit vernichten können !
Ob ich da nicht eher diese unberechenbaren Mächtigen ablehnen würde ? (Ablehnen müsste?)

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Ja, das sind hochaktuelle Fragen an sich selbst! Ist mir "Macht" wichtig? Zu diesem Machtbegriff gehört seit Urzeiten - das sollte langsam allgemeines Wissensgut werden - dass MACHT sich durch ENTMACHTEN Anderer definiert! - Sich nur so herstellen lässt! Täglich wird uns dies in der Politik demonstriert. Es kommt nur darauf an, ob auch eine genügende Anzahl von Menschen das mitmacht! Wieviele Menschen - „in der Kindrolle“ nach dem Muster ihrer Erfahrung in der Familie früher - sich das gefallen lassen!

Hier passt ein modernes Gebet zur Selbsterkenntnis (für Frau Merkel?) : Ja, wir braven Kinder, wir Mitläufer, wir Werkzeuge der Mächtigen! Die wir es für unsere Eltern – die unsere ehemaligen Mächtigen waren - gut und richtig machen wollen! Wir wissen nicht, was wir damit uns und den Anderen und unseren Nachkommen antun! Indem wir das Schreckliche zulassen, beschönigen und fördern! Das diejenigen in die Welt bringen - über Bomben oder andere Tötungsinstrumente - die unbedingt die Macht brauchen! Um nie noch einmal die Ohnmacht ihrer Kindheit wiedererleben zu müssen! „Rücksicht auf das Leben Anderer“ ? - ist dabei unmöglich !
Wir vielen weniger Mächtigen arbeiten als hörig-brave Kinder unserer Eltern den zerstörerischen Mächten zu! Die im Gewande der idealen Menschheitsverbesserer daherkommen!
Aber Zerstörung ausagieren - Zerstörung hinterlassen! Daran sind sie als Menschenverächter und Menschenverführer erkennbar! An dem, was sie auslösen und hinterlassen, werden sie als zerstörerisch erkannt!

Ob die Zeit jetzt dafür reif ist? Woran war sie denn früher nicht reif? Was hat gefehlt?
Kann das vielleicht auch illustrieren worum es geht?
Zu dem, was verdrängt ist und deshalb 'uninteressant' wird weil "nicht-existent" oder einfach "störend", fällt mir wieder eine Begebenheit ein, die mich noch immer seltsam berührt. Weil sie mir typisch vorkommt für die verleugnende Haltung ganzer Generationen erfolgreicher Persönlichkeiten.
Es ist so bedauerlich, dass die berühmten großen Leute so wenig damit anfangen können, was ihnen die unbedeutenden kleinen Leute zu sagen haben. Weil es einfach außerhalb ihres Werte- und Wahrnehmungssystems liegt, muss ja der Grund sein.

Wie taub und blind für dieses äußerst wichtige aber - wundert uns das noch? – tiefverdrängte und über Identifikation "vergessene“ Thema der verbotenen Autonomie sind sie mir erschienen, meine hochgeschätzten Lehrer, meine Vorbilder von damals! Sogar mein verehrter dritter Interviewer aus der Zeit meiner Bewerbung um die Kandidatur, dem ich voll vertraut habe und dessen Reaktion mir deshalb so wichtig war, hat mir diese Erfahrung auch nicht ersparen können. Als ich ihm 1973 begeistert über meinen "Analyseerfolg" berichten will, „meine innere Befreiung“ und was ich dabei über "die erkämpfte Erlaubnis zur Autonomie" begriffen habe - und dass ich glaube, dass es sich hier um ein menschliches Ur-Bedürfnis handelt, das immer durch Gehorsamserziehung unterdrückt wird und den Menschen "böse" macht usw., war seine Antwort darauf " das ist nur Ihr Konflikt" - "jeder hat einen anderen Konflikt, den er für den wichtigsten hält" - „Sie verallgemeinern, was Ihr individuelles Problem ist". Was soll man dazu noch sagen? Danach hat der große Analytiker nie mehr mit mir gesprochen. Bis heute will mir einfach nicht einleuchten, womit ich mir die Sympathie dieses berühmten Mannes verscherzt habe. (Auch so ein Schicksalsschlag ... )

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Es sind nun bald 25 Jahre her seit meinem "ungeschehen gemachten" Vortrag zum Erwerb der Ordentlichen Mitgliedschaft bei meiner Psychoanalytischen Vereinigung.
Von mir überhaupt nicht erwartet, war mein Vortrag abgelehnt worden, von den drei beim Vortrag anwesenden Analytikern, die ihn zu beurteilen hatten. Erfahren habe ich das aber erst später, bei der nächsten Tagung. Und da war mir ein denkwürdiger Vorschlag gemacht worden, wohl entgegen-kommend gemeint: Dass ich meinen Vortrag als "nicht gehalten" deklarieren lassen sollte.
„Damit ich eine zweite Chance hätte", für einen weiteren Bewerbungsvortrag später.
Bei dem Aussagegehalt meines Textes aber wollte ich die schriftliche Begründung für die Ablehnung. Das wäre fair gewesen, angemessen und gerecht. Ich verzichtete aber darauf auf Wunsch meiner Kollegen des örtlichen Ausbildungsinstituts, die sich weiteren Ärger ersparen wollten und "einen Aufstand" befürchteten. Heute finde ich das schade. Dass ich nicht zu mir gestanden habe!
Aber das gehört alles zum Thema.
Nach dieser Erfahrung - das ist nun ein Vierteljahrhundert her! - war mir die Motivation unwiederbringlich verloren gegangen, mich unter solchen Bedingungen noch einmal "um die Erlaubnis zur Lehranalytikertätigkeit" zu bemühen, um selbst auszubilden - auf eine andere Weise als wir sie von unserem Analytiker erfahren und ertragen haben. Auf eine ganz andere Weise nur wäre das gegangen. Aber „der Zeitgeist hat es eben nicht gewollt“. Und dem habe ich mich gebeugt. Das bedauere ich heute und bin traurig darüber.

Was nun aber die Erfahrungen in der Lehranalyse anbetrifft, so ist schon anzunehmen, dass unser Fall ein spektakulärer ist. Unser Analytiker nahm durch dezidierte Verbote direkten Einfluss auf die Ausbildung, war für den Abbruch der Ausbildung in zwei langjährigen Fällen verantwortlich und in einem Fall für das "Verbot der Lehranalytikertätigkeit". Das war eindeutig ein Machtmissbrauch. Aber als solcher von ihm nicht realisiert! Und von keiner Instanz wahrgenommen oder geahndet.
Aber ist die Geschichte meiner - unserer – Psychoanalyseausbildung so einmalig gewesen?
Und wie ist das in der Gegenwart?

Heute wissen wir mehr was Dissoziation bewirkt! Ich musste es irgendwann realisieren:
Das Schwierige am Verstehen des Verdrängungsphänomens liegt in seinem
Zweck -

Nichts-mehr-fühlen-und-nichts-mehr-wissen-wollen.


Weil die Grenze des Erträglichen für die traumatisierte Seele überschritten war.
Verdrängung ist aber ein automatischer Vorgang, für den niemand verantwortlich gemacht werden kann: ein „gnädiger Hilfsmechanismus der Seele“, mit dem der Mensch überlebt !

Nichts-mehr-fühlen-und-nichts-mehr-wissen-wollen-und-können.


Aber dann: Wovon ich nichts mehr weiß, das hat es nie gegeben! Das muss der Grund sein wie es möglich ist - mit einem Wissen darum seit 100 Jahren! - dass Verdrängung im Bewusstsein der Bevölkerung, der Öffentlichkeit - bis heute als Phänomen nicht existiert! Nicht "bekannt" ist !
Dass darüber überhaupt keine Bewusstheit besteht ! So dass mit der Gefahr des Ausagierens
im Wiederholungszwang (als Alltagsgeschehen) überhaupt nicht gerechnet wird ! „Alles Schicksal“ ! Oder „genetisch bedingt“ !

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Und so passiert es, dass weiterhin, seit Jahrtausenden praktiziert, menschliche Destruktivität ausagiert wird. Wie selbstverständlich, in den Familien - im Amoklauf - in Massakern - im Krieg. Und wegen der kompletten Abspaltung früherlittenen Todesnäheerlebens existiert keine bewusste Verbindung mehr zwischen dem Trauma in Ohnmacht und der Gewalttätigkeit in der Gesellschaft.
Das frühe Leid der Kindheit ist in Verdrängung gegangen - und mit ihm das damit verbundene Destruktionspotential an Wut, Verzweiflung und Rachebedürfnis. Es gleicht einem schwelenden Vulkan. Es wartet im Unbewussten "auf seine Stunde der Macht"!

Es ist die reaktive Destruktivität, um die es geht. Sie ist die emotionale Antwort auf Schockerleben durch Lieblosigkeit, durch Unerbittlichkeit. (Mangel an Einfühlung durch erzwungene Anpassung.) Sie ist das Zerstörungspotential in der Verdrängung, das im Wiederholungszwang des Verdrängten nach Reinszenierung sucht und unseren individuellen und offiziellen Alltag bestimmt.

Ausagiert erleben wir das spektakulär in der Politik, da fallen wieder Bomben auf Europa 1999 und so weiter. (Aber "die Völker" haben was gemerkt. Wo da nämlich "Demo"kratie geblieben sein soll.) In der Politik zeigt er sich wieder: "der autoritäre Elternteil". Der noch immer seine Gehorsam fordernde Rolle spielt - und das Volk zu "Kindrollenspielern" degradiert, die zu parieren und zu leiden haben. (Denken wir an die GRÜNEN, ihren Pazifismus und die Vertrauensfrage. Oder den inhumanen Sozialabbau.) Ausagiert wird unter Rationalisierungen, da ist der Mensch einfallsreich und meint es immer gut, - das Grunderfahrungsmuster der frühen Dyade mit seinem kategorischen 'Entweder-Oder' gebliebener symbiotischer Inkongruenz. 'Groß oder Klein' - 'Macht oder Ohnmacht' - so wie sie der winzige Mensch einmal erlebt hat und irgendwie verkraften musste. Wir alle?
Diese archaische Alternative kennt keinen Frieden und muss überwunden werden.

Bewusstwerdungsprozesse sind in Gang gekommen. Nicht nur durch die Bearbeitungen individueller Konflikte vieler in analytischen Behandlungen seit Kriegsende.
Über die in den Medien demonstrierte Unmenschlichkeit, völlig unreflektiert also unbewusst, ausagiert - entwickelt sich über Wahrnehmung und Begreifen zunehmend
das Bewusstsein unter den Betroffenen: " Wir müssen uns gar nicht alles gefallen lassen wie als Kind!" Es muss aber schon ein enormes Unrecht öffentlich ausagiert werden, es muss schon mit einer geradezu verrückten, rücksichtslosen Dreistigkeit unmenschliches und Menschen verachtendes Verhalten erkennbar demonstriert werden - bis wir vielen Anpassungsbereiten endlich etwas merken ! Realisieren, dass dies einfach nicht stimmt: "Die Macht hat das Recht". Das war einmal.
Das war die autoritäre Eltern-Macht. Die hatte "unfehlbar" zu sein - wie heute noch der Papst. Ja, die Verachtung der Menschen, die an der Armutsgrenze leben, ist Ausdruck der Identifikation:
"Macht"-Identifikation !
Bewusstwerdungsprozesse sind im Gange, die unsere politische Landschaft verändern werden - im Sinne der vielen die Opfer sind. Wir können hoffen
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